TA 049 - John Brunner - Wächter der Sternstation.pdf

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Terra Astra 49
Wächter der Sternstation
John Brunner
1.
Die Wüste glich einem häßlichen Geschwür auf dem Antlitz
der Erde.
Früher war auch die nähere Umgebung unbewohnt gewesen,
obwohl es dort guten Boden und genügend Wasser gab.
Aber schon einige Generationen später waren die Menschen
langsam wieder in dieses Gebiet vorgedrungen. Das Leben dort
war hart und entbehrungsreich, denn es geschah immer wieder,
daß ein Ding aus der Wüste auftauchte und . Tod und
Verderben verbreitete. Aber die Menschen ertrugen es
geduldig.
Jervis Yanderman lehnte sich gegen den Stamm eines
Baumes und dachte über die Meldungen nach. Drei Späher
waren morgens ausgeschickt worden. Zwei von ihnen waren
bereits zurückgekehrt, nachdem sie die Grenze zwischen dem
fruchtbaren Land und der Wüste erreicht hatten. Yandermann
hoffte, daß der dritte sich nur aus Übereifer verspätet hatte.
Er sah in die Senke hinunter, wo die Männer an den
flackernden Lagerfeuern saßen. Wenn Großherzog von Esberg
sein Heer in Marsch setzte, dann hatte er zuvor jede Einzelheit
durchdacht.
Vor ihm tauchte ein Schatten aus dem Nichts auf, dann
verlangte eine barsche Stimme die für heute ausgegebene
Parole. Yanderman gab sich zu erkennen und drückte dem
Führer der Streife seine Anerkennung aus. Der Mann lachte.
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Wir haben Sie als Übungsobjekt benutzt, Sir , gab er zu.
Ich habe Sie vom Lager aus erkannt und meinen Leuten den
Auftrag gegeben, Sie so leise wie möglich anzuschleichen.
Sir, wenn ich eine Frage stellen darf , fuhr der Streifenführer
nach einer kurzen Pause fort, ist es wirklich wahr, daß die
Späher das gefunden haben, wonach wir suchten?
Es ist wahr.
Die drei Soldaten sahen sich bedeutungsvoll an.
Und ... ist es dort so, wie in den alten Geschichten erzählt
wird? Lauter Teufel und Ungeheuer?
Von Teufeln habe ich nichts gehört , antwortete Yanderman
leichthin.
Einer der anderen Soldaten räusperte sich.
Sir, dürfte ich Sie darum bitten, eine Wette zu entscheiden?
Ich möchte nicht unverschämt erscheinen, aber ...
Yanderman nickte aufmunternd mit dem Kopf. Einer meiner
Kameraden will sich einen Talisman von Granny Jassy
kaufen , fuhr der Soldat fort. Er behauptet, daß der Herzog
auch einen von ihr trägt, dem er seine Erfolge verdankt. Ich bin
der Meinung, daß das alles Unsinn ist, deshalb habe ich mit
ihm um einen Tagessold gewettet, daß der Herzog sich nicht
auf einen Talisman verläßt.
Der dritte Mann der Streife, der bisher geschwiegen hatte, trat
unruhig von einem Fuß auf den anderen. Yanderman
vermutete, daß er der Zweite der beiden Wetter sei.
Gar nicht dumm, Soldat , sagte er deshalb. Du kannst
deinem Kameraden von mir ausrichten, daß Großherzog Paul
seine Erfolge seiner Intelligenz und überaus gründlichen
Planung verdankt.
Er hatte richtig geraten, denn nun meldete sich der dritte
Soldat erregt zu Wort. Aber weshalb gibt der Herzog sich
dann mit Granny Jassy ab und schleppt sie überall mit, wenn
sie ihm nicht Glück bringt?
Der Herzog hat sie nur deshalb mitgenommen, weil sie uns
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wertvolle Auskünfte über unsere Marschroute geben kann.
Irgendwie weiß sie schon vorher, wie die Gegend vor uns
aussieht und welche Gefahren uns drohen könnten.
Kann sie auch über die Grenze der Wüste hinaussehen?
fragte der dritte Soldat.
Sie sieht nicht eigentlich, sondern erinnert sich. Vor vielen
Jahren haben Menschen dieses Gebiet gesehen und Granny
berichtet uns, was sie damals gesehen haben.
Soldat! sagte er zu dem dritten. Wie gefällt dir dein
Gewehr?
Der Mann wog die Waffe in der Hand. Sehr gut , antwortete
er. Es schießt. sehr genau.
Dann kannst du dich dafür bei Granny Jassy und dem
Herzog bedanken. Der Entwurf zu dieser Waffe beruht auf
einer ihrer Erinnerungen. Ein Mann kann sich damit in die
Wüste wagen und den Ungeheuern entgegentreten!
Wollen wir also wirklich in die Wüste vordringen?
erkundigte sich der Streifenführer.
Das weiß ich selbst noch nicht. Darüber entscheidet der
Herzog.
Yanderman gab dem Streifenführer einen Wink, die Soldaten
grüßten und tauchten wieder in der Dunkelheit unter.
Yanderman ging nachdenklich auf das Lager zu.
Selbstverständlich war zu erwarten gewesen, daß die
Altweibergeschichten wieder aufleben würden. Die
Schwierigkeit bestand vor allem darin, daß die Erzählungen
eines alten Weibes - Granny Jassy - sich als wahr erwiesen
hatten.
Auf einem Hügel jenseits des Lagers-liefen plötzlich einige
Männer aufgeregt durcheinander. Yanderman hob den Kopf,
als der gleißend helle Strahl eines Suchscheinwerfers die Nacht
wie ein Schwert zerteilte.
Er war auf einen Einschnitt zwischen zwei Hügeln nördlich
des Lagers gerichtet, wo jetzt ein Reiter auftauchte, der
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aufgeregt winkte.
Yanderman rannte auf das Lager zu. Das mußte der dritte
Späher sein. Er würde sich bei dem Herzog zurückmelden und
Bericht erstatten. Dabei durfte Yanderman nicht fehlen.
Yanderman blieb einen Augenblick vor dem Zeit stehen, um
einen anderen herauszulassen. Dann schlüpfte er selbst hinein.
Großherzog Paul von Esberg hob den Kopf.
Ich bin eben davon benachrichtigt worden, daß der dritte
Späher in Sicht ist , sagte er. Haben Sie ihn gesehen?
Deshalb bin ich gekommen , sagte Yanderman.
Setzen Sie sich. Wir werden bald erfahren, was ihn so lange
aufgehalten hat. Herzog Paul lehnte sich zurück. Ich habe
Granny Jassy holen lassen, damit sie uns weiterhelfen kann.
Yanderman setzte sich. Der Sekretär des Herzogs, ein junger
Mann namens Kesford, schlug seinen Schreibblock auf.
Einige Minuten später wurde draußen Granny Jassys schrille
Stimme hörbar. Dann öffnete ein Soldat den Zelteingang und
schob sie herein.
Granny J assy stürzte auf den Schreibtisch zu.
Kein Mensch hat das Recht, eine alte Frau nach einem
anstrengenden Tag in ihrer wohlverdienten Ruhe zu stören!
zischte sie. Wenn das so weitergeht, verschwinde ich einfach.
Herzog Paul machte eine kurze Handbewegung auf die Couch
zu, auf der er nachts schlief. Granny Jassy murmelte noch
etwas vor sich hin, setzte sich aber doch folgsam nieder.
Augenblicke später wurde der Späher in das Zelt geführt. Das
Hemd des Mannes war mit Blut bedeckt; sein Gesicht wirkte
bleich und eingefallen, aber die Augen glänzten fiebrig, und er
stützte sich auf einen Sanitäter.
Yanderman erhob sich. Steh auf, Granny , sagte er
bestimmt. Du bist zwar alt, aber er ist verwundet. Für dich
genügt ein Stuhl.
Sie stand mühsam auf und ließ sich auf dem angebotenen
Stuhl nieder. Der Sanitäter breitete eine Decke über die Couch,
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