Zeit Geschichte 2016 05.pdf

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Epochen. Menschen. Ideen
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Reform
Nr. 5/2016 Deutschland 6,90 € — Österreich, Benelux 8,00 €
Frankreich, Italien, Portugal, Spanien 9,10 € — Schweiz 10.90 CHF
Buchdruck
Ein Mönch wird
zum Medienstar
Feindbilder
Luthers Hass auf
die Ungläubigen
Die Revolution des Glaubens
4196763
LUTHER
906904
05
Drei Nationale Sonderausstellungen. Einmalig zum Reformationsjubiläum 2017.
DIE VOLLE WUCHT
DER REFORMATION
3xHAMMER.DE
LUTHER
UND DIE
DEUTSCHEN
04.05.–05.11.2017
WARTBURG, EISENACH
DER
LUTHER
EFFEKT
500 JAHRE PROTESTANTISMUS
IN DER WELT
12.04.–05.11.2017
DEUTSCHES HISTORISCHES MUSEUM
IM MARTIN-GROPIUS-BAU, BERLIN
LUTHER!
95 SCHÄTZE –
95 MENSCHEN
13.05.–05.11.2017
STIFTUNG LUTHERGEDENKSTÄTTEN
IN SACHSEN-ANHALT,
AUGUSTEUM,
LUTHERSTADT WITTENBERG
Ermöglicht durch:
Hauptsponsor der Ausstellung in Berlin:
FUNDSTÜCK
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Die Reformation wirkte vor 500 Jahren von
Wittenberg aus in die Welt. Sogar das ferne
Swakopmund in Namibia kündet von ihr. Dort
steht
Martin Luther.
Und steht. Und steht. Und
kann nicht anders, als stehen zu bleiben:
Luther
ist ein Lokomobil, ein Hybrid aus Dampflok
und Automobil, gebaut in einer Maschinenfa-
brik in Halberstadt, verschifft in die südwestafri-
kanische Kolonie im Jahr 1896. Doch der 1,4
Tonnen schwere Stahlkoloss erwies sich als un-
geeignet. Nicht nur, dass er mit all seinem Ge-
wicht im Sand versank, seine Dampfmaschine
schluckte einfach zu viel Wasser für eine Mission
in der Wüste. Nach nur vier Fahrten wurde das
Mobil in den endgültigen Stillstand verabschie-
det. Im Gedenken an das legendäre Luther-Wort
erhielt es seinen Namen. Nun ist das störrische
Gefährt eine Touristenattraktion – wie fast alles,
was mit dem Mann zu tun hat, der kraft seines
Glaubens die Welt in Bewegung versetzte.
LR
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EDITORIAL
MACHTPROBE:
Martin Luther steht auf festem Grund, der Thron des Papstes wackelt. Protestantisches Flugblatt von 1568
Luther, der ferne Zeitgenosse
Luthers Welt liegt auf halbem Weg zwischen Himmel und Hölle.
Der Teufel ist lebendig, Dämonen treiben ihr böses Spiel, und die
Furcht vor dem Fegefeuer: eine Obsession. Dieser Luther, der
angstvoll um sein Seelenheil ringt, erscheint uns fern und fremd.
Warum sollte er uns interessieren?
Weil das Drehbuch phänomenal ist. Der unbekannte Mönch
aus der Provinz schreibt zornig seine 95 Thesen, und die abend-
ländische Welt gerät ins Wanken. Rabatt auf Seelenqualen kann
man nicht erkaufen, sagt Luther und weicht im Konflikt mit Papst
und Kaiser kein Jota von dieser Überzeugung ab. Am Ende er-
schüttert er eine betonfeste Tradition: das Wahrheitsmonopol der
Kirche. Die Nachbeben sind bis heute zu spüren. Mit der Möglich-
keit, zu eigener Erkenntnis zu gelangen, ist der Bann der Kirche
gebrochen, der Boden für eine Welt ohne Teufel und Höllenfeuer
bereitet. Wie kaum ein anderer hat Martin Luther damit Ge-
schichte geschrieben. Darum interessiert er uns.
Zugegeben, ganz so ist es nicht gewesen. Einer gegen alle, das ist
der Stoff der protestantischen Meistererzählungen, die das Luther-
Bild geprägt – und verklärt haben. Wie Denkmalschützer haben
sich die Lutheraner über Jahrhunderte vor ihren »Heilsbringer«,
»Freiheitskämpfer« und »Nationalhelden« gestellt. Und je heller die
Lichtgestalt erstrahlte, desto unkenntlicher wurde das Original.
Heute kann unbefangener, nüchterner geurteilt werden. Der von
Wunschbildern befreite Luther öffnet immer noch eine Tür in die
moderne Welt, aber er gehört ihr selbst nicht an. Und die Glau-
bensrevolution ist nicht sein Werk allein, ja nicht einmal sein Plan.
Ungewollt wird aus der Erneuerung der Kirche deren Spaltung,
und der alternative Weg zum Heil führt in eine heillos umkämpfte
Welt. Gerade ihre Unbestimmtheit macht diese Umwälzung für
Historiker so aufschlussreich: Warum wird aus der kleinen Flamme
des Protestes ein Flächenbrand? Wie erklärt sich die rasende Dyna-
mik, die von Wittenberg aus die Welt erfasst? Die Reformation ist
ein Lehrstück über menschliches Handeln und seine nicht inten-
dierten Folgen; darüber, wie kleine Dinge große Wirkung erzielen,
wenn sie in die Zeit passen und die Interessen vieler bedienen.
In diesem Sinne nennt der Historiker Heinz Schilling Luthers
95 Thesen einen ersten fallenden Dominostein. Er und die anderen
Autoren dieses Heftes bringen Luther wieder auf historische Ori-
ginalmaße. Und eröffnen neue Perspektiven: Führte weniger seine
Rebellion, sondern eher die schroffe Reaktion Roms zur Kirchen-
spaltung? Welche Rolle spielte der Buchdruck für den Erfolg der
neuen Ideen? Und was hat Luthers Körper mit alldem zu tun?
Luthers Bedeutung für die heutige Zeit erschöpft sich nicht in
den Erfolgen der Reformation. Auch der Mensch des Mittelalters,
seine Vorstellung von Gut und Böse, ist uns nicht so fremd, wie es
auf den ersten Blick scheint. Luther misstraute der offiziellen Wahr-
heit, zweifelte aber nie an der eigenen. Was er glaubte, war Gesetz;
wer es nicht glaubte, war des Teufels. Der Reformator war ein reli-
giöser Fundamentalist mit brutaler Fantasie, welches Schicksal den
Ungläubigen blühe. Das liegt 500 Jahre zurück, aber Vergangenheit
ist es nicht. Und man sollte es ab und an in Erinnerung rufen:
Diese Geschichte, unsere Geschichte, spielt mitten im Abendland.
FRANK WERNER
Chefredakteur
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I N H A LT
3 Fundstück
6 Verdammt und erlöst
Angst und Hoffnung: Die Glaubenswelt
des 16. Jahrhunderts in Bildern
80 Herr Käthe bringt das Glück
Ein Hausbesuch in Wittenberg
Von Markus Flohr
82 Züchtig, fleißig und gehorsam
Der Protestantismus verändert den Alltag der
Menschen grundlegend
Von Bruno Preisendörfer
14 Der lange Weg zur Rebellion
Die Reformation wurzelt im Mittelalter und
führt in die moderne Welt
Von Heinz Schilling
88 Streit ums Abendmahl
Wie andere Reformatoren im 16. Jahrhundert die
Kirche erneuern wollen
Von Louisa Reichstetter
20 Von Christen und Eichen
Luther in Zahlen
90 Ein Bild von einem Mann
Kaum eine Figur der Geschichte ist so verehrt und
verklärt worden wie Luther
Von Justus H. Ulbricht
22 Ein Mönch sucht sein Seelenheil
Von der Universität ins Kloster: So kommt Luther
zu seinen 95 Thesen
Von Andreas Molitor
96 500 Jahre Reformation – Fluch oder Segen?
Die evangelische Theologin Margot Käßmann
und der katholische Historiker Tillmann Bendikowski
im Gespräch
30 Der deutsche Barbar
Für Rom ist der Reformator ein germanischer
Hinterwäldler
Von Volker Reinhardt
36 Am eigenen Leibe
Warum Luthers Körper wichtig ist.
Ein Gespräch mit der Historikerin Lyndal Roper
102 Luthers Satan, Gottes Knecht
Auf den Spuren des endzeitlichen Propheten
Thomas Müntzer
Von Christoph Dieckmann
38 Vom Aufstieg eines Medienstars
Wie die neue Lehre durch den Buchdruck und
die Cranach-Werkstätten verbreitet wird
108 Derbe Sprache
Luthers Schmähungen – juristisch überprüft
Von Astrid Blome und Cornelia Schneider
46 Zeitzeugnis: Alter und neuer Glaube
Die Botschaft im Bild: Cranachs Gemälde
»Gesetz und Gnade«
Von Christiane Fröhlich
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110
113
114
Ausstellungen
Bücher / Bildnachweise / Impressum
Zugabe
Vorschau
48 Das große Nein
Auf dem Reichstag in Worms soll Luther
widerrufen – und tut es nicht
Von Ralf Zerback
56 Kampf um Glaube und Macht
Städte, Ritter und Fürsten machen mit der
Reformation Politik
Von Luise Schorn-Schütte
64 Der Diplomat
Philipp Melanchthon setzt lange auf eine
Einigung mit Rom
Von Christiane Fröhlich
Luther-Legenden
Die 95 Thesen angeschlagen? Mit einem
Tintenfass geworfen? Stimmt nicht!
Seite 29, 55, 71 und 87
66 Standpunkte: Wie modern war Luther?
Ulinka Rublack und Volker Leppin
beantworten diese Frage unterschiedlich
72 Hölle auf Erden
Die Bewegung der Täufer führt die Stadt Münster
in eine Katastrophe
Von Matthias Lohre
Weitere Texte im Internet:
www.zeit.de/zeit-geschichte
TITEL:
Martin Luther, Gemälde
von Lucas Cranach d. Ä., 1529
74 Hass auf die Ungläubigen
Der Papst, die Türken, die Juden: Luther hat
viele Feindbilder
Von Thomas Kaufmann
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