Zeit Geschichte 2017 1 Der Weg in Den Holocaust.pdf

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Nr. 1/2017 Deutschland 6,90 € — Österreich, Benelux 8,00 €
Frankreich, Italien, Portugal, Spanien 9,10 € — Schweiz 10.90 CHF
G
eschichte
DER WEG
IN DEN
HOLOCAUST
Die Wannsee-Konferenz und die »Endlösung der Judenfrage«
Epochen. Menschen. Ideen
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eschichte
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Drei Nationale Sonderausstellungen. Einmalig zum Reformationsjubiläum 2017.
DIE VOLLE WUCHT
DER REFORMATION
3xHAMMER.DE
LUTHER
UND DIE
DEUTSCHEN
04.05.–05.11.2017
WARTBURG, EISENACH
DER
LUTHER
EFFEKT
500 JAHRE PROTESTANTISMUS
IN DER WELT
LUTHER!
95 SCHÄTZE –
95 MENSCHEN
13.05.–05.11.2017
STIFTUNG LUTHERGEDENKSTÄTTEN
IN SACHSEN-ANHALT,
AUGUSTEUM,
LUTHERSTADT WITTENBERG
12.04.–05.11.2017
DEUTSCHES HISTORISCHES MUSEUM
IM MARTIN-GROPIUS-BAU, BERLIN
Ermöglicht durch:
Hauptsponsor der Ausstellung in Berlin:
Medienpartner:
SACHSEN-ANHALT
FUNDSTÜCK
3
Mordmuster
Die letzten Tage des Krieges verbringt Oskar Löwenstein mit
den Patienten und Ärzten des Jüdischen Krankenhauses Ber-
lin im Keller. Oben, auf den Straßen, tobt der Kampf. Die
Männer der Gestapo sind bereits geflohen. Am 22. April 1945
erreichen endlich die sowjetischen Soldaten die Klinik, und
die Menschen kommen zurück ans Tageslicht. Tags darauf
geht Löwenstein die engen Gänge hinunter, er streift durch
den Trakt, in dem die Gestapo ihn und andere gefangen ge-
halten hat. In einem Vorratsraum findet Löwenstein einen
Stoffstapel: einen Meter hoch, gelb und durchgängig be-
druckt mit dem »Judenstern«. Alle Menschen, die nach den
Rassengesetzen der Nationalsozialisten als Juden galten, hat-
ten ihn tragen müssen. Auch er selbst. Der Stern war ein
Schreckensmal: Er markierte Menschen für die Deportation.
Er war das allerorten sichtbare Zeichen, das am Anfang des
millionenfachen Massenmordes stand. Oskar Löwenstein
trennt sich damals eine Bahn des Stoffes ab. Jahrzehnte später
übergibt er sie dem Jüdischen Museum Berlin. Jeder soll auch
in Zukunft diese Sterne sehen; wie sie da liegen, einem Mus-
ter gleich, geordnet, en gros – 77 Todesurteile.
FLO
4
EDITORIAL
MASSENGRAB:
In der Schlucht Babyn Jar bei Kiew erschoss ein deutsches Einsatzkommando 33 771 Juden. Wenige Tage danach,
Anfang Oktober 1941, werden Bäume gepflanzt, um das Massaker zu vertuschen. Ein Propaganda-Fotograf hält die Szene fest
Grenzenlose Gewalt
Der 20. Januar 1942 war ein herrlicher Berliner Wintertag, eiskalt
und sonnenklar. Wer damals auf die Terrasse jener Villa trat, um
einen grandiosen Blick auf den See zu erhaschen, hörte den Schnee
unter den Stiefeln knirschen. Auch die Tagesordnung trübte die
Stimmung nicht. Die Frage, wie sich elf Millionen Juden am effek­
tivsten ermorden lassen, besprachen die 15 Männer bei Schnitt­
chen und französischem Cognac.
So grotesk die Szenerie der Wannsee­Konferenz anmutet, so
unfassbar ist bis heute der Holocaust geblieben. All die Distanz,
das angehäufte Wissen, die vielen Regalmeter Forschungsliteratur:
Sie machen das monströse Verbrechen kaum begreiflicher. Wer es
ergründen will, stößt an die Grenzen seiner Vorstellungskraft.
Weil wir dazu neigen, die Dinge zu vereinfachen, um sie besser
zu verstehen, galt die Villa am Wannsee lange Zeit als der schaurig­
pittoreske Ort, an dem der Holocaust beschlossen wurde. Was so
grausam endete, musste einen eindeutigen Anfang haben. Inzwi­
schen hat die Forschung gezeigt: Am Wannsee wurde der Mord
an den Juden organisiert und koordiniert, aber in Gang gekom­
men war er längst. Und es ist fraglich, ob es überhaupt den einen
Beschluss gab, sämtliche Juden zu töten. Oder ob sich der Völker­
mord nicht eher in Etappen vollzog, vorangetrieben durch eine
Kette immer radikalerer Einzelentscheidungen, die sich erst im
Rückblick zu einem Gesamtvorgang zusammenfügen.
Zum 75. Jahrestag der Wannsee­Konferenz stellt dieses Heft die
Frage, wie die Teilnehmer so weit kamen, eine achtstellige Mord­
ziffer abzunicken, als ginge es um Planzahlen für die Rüstungs­
industrie. Wie wurde aus der Vertreibung der Drang zur Vernich­
tung? Im Mittelpunkt stehen die Jahre 1939 bis 1942, die
Inkubationszeit des Holocaust. Die Autoren sind sich einig, dass
in dieser Phase die Weichen gestellt wurden. Wie und wann genau,
darüber gehen die Meinungen auseinander: War die Ermordung
der europäischen Juden im Winter 1941 beschlossene Sache – oder
doch erst im Frühsommer 1942? Wurde am Wannsee der Mord in
den Gaskammern besprochen, oder dominierte das Kalkül der
»Vernichtung durch Arbeit«? Die Genese des Genozids nicht nur
von
einem
Standpunkt aus, sondern mit all ihren Kontroversen und
offenen Fragen zu beleuchten ist das Anliegen dieses Heftes.
Der Holocaust war die zivilisatorische Bruchkante des 20. Jahr­
hunderts. So entfesselt, so grenzenlos und so entsetzlich effizient
wurde weder vorher noch nachher in der Geschichte gemordet.
Aber bedeutet Beispiellosigkeit, dass das Kapitel abgeschlossen ist?
Die Tat war exzeptionell, doch die Täter waren es mitnichten. Sie
offenbarten, wozu Menschen fähig sind, wenn sie die Lizenz zum
Töten erhalten. Schon deshalb werden wir auf die Frage, wie es
zum Holocaust kommen konnte, keine abschließende Antwort
finden – sondern nur neue Fragen.
FRANK WERNER
Chefredakteur
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1
/
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I N H A LT
3 Fundstück
6 Mit dem Blick der Täter
Die Menschen im Ghetto Lodz – fotografiert
von einem Beamten des Besatzungsregimes
72 Zeugnisse des Grauens
Aktenvermerke, Briefe, Protokolle: Wie NS-Funktionäre
den Massenmord vorantreiben
80 »Dann wandert keiner mehr«
Im Sommer 1942 erreicht der Genozid seinen
schrecklichen Höhepunkt
Von Dieter Pohl
14 Das Undenkbare denken
Es gab keinen Generalplan für den Holocaust.
Aber in der Vorstellungswelt der NS-Führung ist
er von Beginn an angelegt
Von Mark Roseman
88 Was befahl Hitler?
Worüber die Forschung bis heute streitet.
Ein Überblick
Von Frank Bajohr
20 »Kein Deutscher bietet Hilfe an«
Schon vor 1939 werden die Juden systematisch
entrechtet und verfolgt
Von Markus Roth
92 Das offene Geheimnis
Jeder konnte vom Jahrhundertverbrechen wissen –
wenn er etwas wissen wollte
Von Volker Ullrich
24 Mit Gas gegen »leere Menschenhülsen«
Opfer des ersten NS-Massenmordes sind
Kranke und Behinderte
Von Jan Erik Schulte
98 »Niemand sollte überleben«
Ist der Holocaust mit anderen Verbrechen vergleichbar?
Ein Gespräch mit dem Historiker Ulrich Herbert
28 Ansiedeln, aussiedeln, ins Ghetto zwingen
Das besetzte Polen ist das Experimentierfeld
deutscher Bevölkerungspolitik
Von Götz Aly
104 Hier war es
In Chelmno entstand das erste Vernichtungslager.
Eine Winterreise
Von Christoph Dieckmann
34 Arbeiten, um zu überleben
Wie die Menschen im Ghetto Lodz versuchen,
sich zu retten
Von Andrea Löw
110 Verschwiegene Orte
Über das Gedenken in der frühen Bundesrepublik
36 Ein Messdiener macht Karriere
Reinhard Heydrichs Aufstieg zum Terrorchef
der Nationalsozialisten
Von Robert Gerwarth
Von Benedikt Erenz
42 »Mitleid ist nicht am Platze«
Im Krieg gegen die Sowjetunion überschreiten
SS und Einsatzgruppen im Sommer 1941 die
Schwelle zum Völkermord
Von Frank Werner
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Bildnachweise / Impressum
Karte
Bücher
Zugabe
Vorschau
50 Tod auf Rädern
Mit dem Einsatz von Gaswagen beginnt das
planvolle Massentöten
Von Mathias Beer
52 »Die weltgeschichtliche Notwendigkeit«
Im September 1941 befiehlt Hitler die
Deportation von Juden aus dem Deutschen
Reich
Von Thomas Sandkühler
58 Tagesordnung Judenmord
Wie es zur Wannsee-Konferenz kommt – und was
dort besprochen wird
Von Peter Longerich
Geschichten vom
Überleben
Eine Krankenschwester-Puppe und andere
Dinge, die vom Kampf der Opfer gegen ihr Schicksal
erzählen: Seite 27, 41, 57 und 87
64 Die Männer vom Wannsee
Gebildet, ehrgeizig und erfolgreich:
Ein Gruppenporträt der 15 Konferenzteilnehmer
Von Hans-Christian Jasch
und Christoph Kreutzmüller
Weitere Texte im Internet:
www.zeit.de/zeit-geschichte
TITEL:
Gleise in Auschwitz-Birkenau;
Adolf Hitler, Heinrich Himmler,
Reinhard Heydrich (Montage)
70 Geheimakte »Endlösung«
Nur ein Exemplar blieb erhalten – die Geschichte
des Wannsee-Protokolls
Von Annette Weinke
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